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09.07.2025 Prof. Dr. Joachim Jahn | | | |
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Sehr geehrte Damen und Herren,
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selten wurde eine Richterwahl zum BVerfG im Vorfeld so kontrovers erörtert wie eine von jenen drei, die übermorgen der Bundestag vornehmen will. Denn eine der beiden von der SPD nominierten Kandidatinnen, die Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf, stieß in Teilen der CDU/CSU wie auch der Juristenzunft und Öffentlichkeit als „ultralinks“ auf heftige Ablehnung. Der zuständige Wahlausschuss hat sich zwar am Montagabend für sie ausgesprochen. Doch damit ist noch nicht ganz sicher, wie das Votum des Plenums ausfallen wird: Anders als in dem kleinen Gremium, das die Mehrheitsverhältnisse im Parlament nicht exakt abbildet, brauchen Christ- und Sozialdemokraten sowie Grüne an diesem Freitag für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit die Linke – oder die hinter die „Brandmauer“ verbannte AfD. Die SED-Nachfolger haben wiederum bereits Zugeständnisse für ihr Ja zumindest zum Unions-Kandidaten, über den als Erstes abgestimmt wird, verlangt (wenngleich womöglich bei der Besetzung anderer Stellen); sie wurden jedoch von den „Schwarzen“ mit einem Unvereinbarkeitsbeschluss versehen. Und die Kür findet gemäß § 6 BVerfGG „ohne Aussprache mit verdeckten Stimmzetteln“ statt.
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Nicht bangen müssen voraussichtlich die weitere von den Sozialdemokraten aufgestellte Bewerberin, die Juraprofessorin Ann-Katrin Kaufhold, und der von der Union benannte Vorsitzende BAG-Richter Günter Spinner, den das höchste Gericht selbst wegen Saumseligkeit des Parlaments vorgeschlagen hatte. Vorsichtshalber stimmt der Bundestag aber in zwei Etappen über die Personalien ab.
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Zugunsten von Brosius-Gersdorf hatte sich zur Überraschung mancher Beobachter CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann geäußert. In Zeiten, in denen im Bundestag die radikalen Ränder stark wie nie seien, brauche es ein geschlossenes Votum der Parteien der Mitte, „um die Funktionsfähigkeit des höchsten deutschen Gerichts sicherzustellen“. Und um nicht die Entscheidungen an den Bundesrat mit seinen eigenen Mehrheitsverhältnissen abzugeben, mag er sich gedacht haben. Der ist zur Stärkung der Karlsruher Resilienz bekanntlich mit einem Ersatzwahlmechanismus ausgestattet. Ohnehin war die Kritik aus der Union nur anonym oder von weniger bekannten Namen geäußert worden.
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Laut deren Fraktionschef Jens Spahn (CDU) hat die SPD einem Kompromiss zugestimmt, nach dem Brosius-Gersdorf nicht zusätzlich Vizepräsidentin des Gerichts und später wohl sogar dessen oberste Repräsentantin werden soll. Was der Parlamentarische Geschäftsführer der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, prompt in Abrede stellte: Dafür sei hier schließlich der Bundesrat zuständig. Später fügte Wiese allerdings hinzu, Kaufhold wäre „aber aus unserer Sicht eine gute Wahl“. Tatsächlich: Eine solche Beförderung von Brosius-Gersdorf würde einer bisherigen Gepflogenheit entsprechen. Doch wäre es besser, wenn eine dermaßen polarisierende Juristin nicht mit diesen Aufgaben betraut wird. Dafür sind Integrationsfiguren besser geeignet. So könnte es auf Kaufhold hinauslaufen.
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Genauso richtig ist aber, dass die 54-Jährige Brosius-Gersdorf als Nachfolgerin von Doris König in den Zweiten Senat einrücken soll. Es stimmt schon: Mit diversen ihrer Aussagen reizt sie nicht nur etliche Bürger und Bürgerinnen, sondern reiht sich auch bisweilen nicht in die bisherige Linie des BVerfG ein. So hat die Potsdamer Staatsrechtlerin und Studiendekanin als Mitglied einer Expertenkommission zur Reform des § 218 StGB die grundsätzliche Rechtswidrigkeit einer Abtreibung kritisiert und erwogen, die Menschenwürdegarantie erst mit der Geburt beginnen zu lassen. Das gilt auch für ihre Ansicht, ein Kopftuchverbot für Richterinnen und Staatsanwältinnen laufe auf ein Berufsverbot hinaus. Die frühere Anwältin in zwei Top-Kanzleien sprach sich zudem für die Prüfung eines AfD-Verbots aus (was sie im Ernstfall befangen machen könnte) – allerdings mit von den Gegnern selten erwähnten Kautelen. Sie befürwortete eine Paritätspflicht im Wahlrecht, die immerhin von den beiden dazu angerufenen Landesverfassungsgerichten verworfen wurde. Manche verübeln ihr ferner die Idee einer Corona-Impfpflicht. Und sie sprach sich dafür aus, das Grundgesetz zu gendern: ein Thema, das ebenfalls Viele auf die Palme bringt.
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Doch nicht jeder einzelne Richter, jede einzelne Richterin der obersten Instanz soll für Ausgewogenheit stehen. Die Mischung verschiedener Weltsichten macht's. Nur so kann in pluralistisch besetzten Spruchkörpern kontrovers um das sachlich beste Ergebnis gerungen werden. Und man mache sich nichts vor: Mit dem Gerichtspräsidenten Stephan Harbarth oder den früheren Urteilsfindern Peter Müller und Peter M. Huber wurden drei exponierte Unionspolitiker zu Trägern roter Roben befördert. Was gleichfalls nicht verkehrt ist: So sorgen sie für eine größere Bodenhaftung des Gerichts, das etwa den Gesetzgebungsprozess sonst nur vom grünen Tisch aus beurteilen würde.
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Absturz der Fluggastrechte
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Bei der Reform der Fluggastrechte-VO der EU droht ein Rückschritt, warnt Prof. Dr. Ansgar Staudinger im Editorial: Der Rat möchte dort als Schwellenwerte festgelegte Stunden anheben und die außergewöhnlichen Umstände als Entlastungstatbestände massiv ausbauen. Konsequenter wäre es, ein einheitliches System für Flug- und Fahrgastrechte zu schaffen, das sich ebenso in das Pauschalreiserecht einfügt. | | | |
Dem Recht begegnen
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Wo begegnet uns Recht im Alltag? Wie prägt es unser Leben? Und wer macht welche Erfahrungen damit? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die erste Pop-up-Ausstellung der Stiftung Forum Recht mit dem Titel „Recht – Spielregeln des Alltags“. Darüber haben wir uns mit Dr. Cord Brügmann, Direktor des Forums Recht, unterhalten. | | | |
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Einfluss des SBGG auf das AGG
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Ein Fall der verweigerten Aufnahme in ein Frauenfitnessstudio bei Auseinanderfallen von rechtlichem und biologischem Geschlecht hat Fragen zum Diskriminierungsschutz im Zivilrechtsverkehr aufgeworfen. Prof. Dr. Jochen Hoffmann behandelt in unserem Eröffnungsaufsatz Anwendungsbereich und Einfluss des SBGG auf das AGG sowie die Rechtfertigungsprüfung. | | | |
Fälligkeitsvoraussetzungen im Grundstückskauf
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Die in Grundstückskaufverträgen meist enthaltenen Fälligkeitsvoraussetzungen für die Kaufpreiszahlung und die Vorleistungspflicht des Erwerbers werfen die Frage nach der Haftung des Verkäufers für deren Eintritt auf. Robin Reichel untersucht sie in seinem Beitrag. | | | |
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Ablieferung eines Testaments
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Ein Rechtsanwalt, der im unmittelbaren Besitz eines Testaments ist, kann die nach § 2259 I BGB vorgeschriebene Ablieferung nicht für einzelne Seiten verweigern, auch wenn sein Mandant deren vertrauliche Behandlung verlangt hat. Notar a.D. Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz schreibt in seiner Analyse, dass dieser Beschluss des OLG Frankfurt a.M. auch für andere zur Verschwiegenheit verpflichtete oder zur Zeugnisverweigerung berechtigte Personen wie etwa Notare, Journalisten und Geistliche Bedeutung habe. | | | |
Unternehmensleitung bei „Firmenbestattung“
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Die Vertretung einer Gesellschaft im Rechtsverkehr ist bei „Firmenbestattungen“ keine Voraussetzung für eine faktische Organstellung – so der BGH. Zu Recht habe der 5. Strafsenat den Versuch zurückgewiesen, faktische Geschäftsführung anhand eines starren Kriterienkatalogs zu ermitteln, kommentiert Assessor Dr. Christian Brand die Entscheidung. Hingegen überzeuge es nicht, eine Person, die ohne (unwirksamen) Bestellungsakt in die Position der Geschäftsleitung gelangt ist, dem Zurechnungsadressatenkreis des § 14 I StGB zuzuschlagen. | | | |
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