LAG Düsseldorf: Deutliche Kritik an Personalabteilung bei berechtigtem Anlass kein Kündigungsgrund

Eine deutliche Kritik an der Personalabteilung in Form einer internen Dienstaufsichtsbeschwerde an den Vorstand ist bei berechtigtem Anlass kein Kündigungsgrund. Dies stellt das Landesarbeitsgericht Düsseldorf klar (Az.: 8 Sa 483/19). Im zugrunde liegenden Rechtsstreit um die Kündigung eines arbeitsunfähig erkrankten Straßenbahnfahrers haben sich die Parteien nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts im Wege des Vergleichs geeinigt.

Streit um Bezahlung von Mehrarbeitsstunden

Der Kläger war bei der Beklagten, einem öffentlichen Nahverkehrsunternehmen, seit 2016 als Straßenbahnfahrer beschäftigt. Im Juni 2017 erlitt er während der Arbeit einen Unfall, bei dem er verletzt wurde. Er ist seitdem arbeitsunfähig erkrankt. Eine Tätigkeit als Straßenbahnfahrer kam danach dauerhaft nicht mehr in Betracht. Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er verlangte von der Beklagten jedenfalls im Dezember 2018 die Bezahlung von 13,5 Mehrarbeitsstunden mit einem Wert von 200 Euro aus dem Jahr 2017. Anfang März 2019 wurde ihm eine Auszahlung zugesagt. Nachdem keine Zahlung erfolgte, rief der Kläger am 18.03.2019 eine Mitarbeiterin der Personalabteilung wegen der noch ausstehenden Bezahlung der Mehrarbeit an. Er verlangte die Entscheidung und die Auszahlung noch am selben Tag und zwar zumindest als Zwischenzahlung. Die Mitarbeiterin teilte mit, dass sie dies mit einem anderen Mitarbeiter abklären müsse. Darauf ließ der Kläger sich nicht ein, sondern fragte, was denn passieren würde, wenn der andere Mitarbeiter sterbe. Dann müsse ja jemand anders die Entscheidung treffen. Erhalte er keine Rückmeldung, würde er am gleichen Tag Dienstaufsichtsbeschwerde erheben.

ArbG erachtete Kündigung für unwirksam

Am Abend desselben Tages reichte der Kläger bei der Beklagten Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Mitarbeiterin der Personalabteilung und den stellvertretenden Leiter der Personalabteilung ein. Darin stellte er den Sachverhalt der nicht bezahlten Mehrarbeit aus seiner Sicht dar und formulierte abschließend, dass die Mitarbeiter verpflichtet seien, ihm seine Bezüge auszuzahlen, diese aber veruntreuen würden und sich somit strafbar machten. Im April 2019 bezahlte die Beklagte die 13,5 Überstunden. Nach Beteiligung von Inklusionsamt, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.04.2019 fristlos und mit Schreiben vom 21.05.2019 ordentlich zum 30.09.2019. Das Arbeitsgericht erachtete die Kündigung für unwirksam.

Berechtigter Anlass für Beschwerde

In der mündlichen Verhandlung hat die erkennende Kammer des LAG den Parteien mitgeteilt, dass die Berufung der Arbeitgeberin keine Erfolgsaussichten habe. Es habe für den Arbeitnehmer ein berechtigter Anlass bestanden, sich über seine Vorgesetzten zu beschweren, nachdem der ihm unstreitig zustehende Betrag für die Mehrarbeit von 200 Euro über längere Zeit nicht ausgezahlt worden war. Hierzu durfte er nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich das Mittel der internen Dienstaufsichtsbeschwerde an den Vorstand wählen und war nicht gehalten, den gerichtlichen Klageweg zu beschreiten. Zwar dürfe der Arbeitnehmer Vorgesetzte nicht wider besseren Wissens einer Straftat bezichtigen. Im konkreten Fall werde aus der Dienstaufsichtsbeschwerde, in der der Kläger die Nichtzahlung der Mehrarbeitsvergütung darstellte, aber eindeutig erkennbar, dass es dem Kläger nur wertend um den Ausdruck seiner Unzufriedenheit mit der verzögerten Zahlung gegangen sei. Nur diese habe er – auch für den Adressaten der Beschwerde erkennbar rechtlich unzutreffend – wertend als Untreue bezeichnet.

Verfahren durch Vergleich beendet

Angesichts des berechtigten Anlasses der Beschwerde sowie des Gesamtzusammenhangs stelle diese zwar deutliche Kritik aber keinen Kündigungsgrund dar. Mit dem Hinweis auf den Tod des anderen Mitarbeiters habe der Kläger allein und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine zeitnahe Entscheidung auch ohne diesen möglich sein müsse. Im Hinblick auf diese gerichtliche Einschätzung und die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers als Straßenbahnfahrer hätten die Parteien das Arbeitsverhältnis durch gerichtlichen Vergleich zum 30.09.2019 beendet. Die Beklagte zahlt an den Kläger danach eine Abfindung in Höhe von 30.000 Euro und gilt die noch offenen 50 Urlaubstage ab. Sonstige laufende Entgeltansprüche bestünden aufgrund der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr.

LAG Düsseldorf - 8 Sa 483/19

Redaktion beck-aktuell, 5. Februar 2020.