Kopftuchverbot in Kita und Drogerie kann rechtmäßig sein
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Das Verbot des Tragens jeder sichtbaren Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen kann durch das Bedürfnis des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, gegenüber den Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln oder soziale Konflikte zu vermeiden. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Hintergrund sind zwei Fälle um ein Kopftuchverbot.

Kita mahnte muslimische Mitarbeiterin ab

Hintergrund des Urteils sind zwei Fälle aus Deutschland. Zum einen war eine muslimische Mitarbeiterin einer überkonfessionellen Kindertagesstätte mehrfach abgemahnt worden, weil sie mit Kopftuch zur Arbeit gekommen war. Vor dem Arbeitsgericht Hamburg wurde daraufhin verhandelt, ob die Einträge aus der Personalakte gelöscht werden müssen. Das Gericht bat den EuGH daraufhin um die Auslegung von EU-Recht (BeckRS 2018, 33797).

Drogeriekette erteilte Weisung kein Kopftuch zu tragen

Im zweiten Fall hat eine Muslimin aus dem Raum Nürnberg, die al Kassiererin bei der Drogeriemarktkette Müller arbeitet, gegen die ihr erteilte Weisung geklagt, am Arbeitsplatz kein Kopftuch zu tragen. Nachdem die vorinstanzlichen Gerichte ihrer Klage stattgegeben hatten, legte die Kette Revision zum Bundesarbeitsgericht ein, das den EuGH anrief (NZA 2019, 693). Während sich die Angestellte in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt sieht, verweist die Drogeriekette auf unternehmerische Freiheit.

EuGH: Allgemeines internes Verbot politischer oder religiöser Symbole nicht unmittelbar diskriminierend

Bereits 2017 hatte der EuGH in einem ähnlichen Fall entschieden, dass ein allgemeines internes Verbot von politischen oder religiösen Symbolen am Arbeitsplatz keine unmittelbare Diskriminierung darstellt. Dies gelte auch dann, wenn einige Arbeitnehmer religiöse Gebote befolgen, die eine bestimmte Bekleidung vorschreiben.

Mittelbare Diskriminierung kann durch Willen zur Neutralitätsvermittlung gerechtfertigt sein

Eine mittelbare Diskriminierung könne durch das Bedürfnis des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, gegenüber Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln. Allerdings sei Voraussetzung, dass ein wirkliches Bedürfnis dieses Arbeitgebers festgestellt werden könne. Dafür maßgebliche Aspekte seien insbesondere die Rechte und berechtigten Erwartungen der Kunden oder Nutzer sowie für den Bereich des Unterrichts der Wunsch von Eltern, dass ihre Kinder von Personen beaufsichtigt werden, die im Kontakt mit den Kindern nicht ihre Religion oder Weltanschauung zum Ausdruck bringen. Für die Beurteilung, ob ein wirkliches Bedürfnis bestehe, sei es von besonderer Bedeutung, dass der Arbeitgeber nachgewiesen hat, dass ohne eine solche Politik der Neutralität seine unternehmerische Freiheit beeinträchtigt würde, da er angesichts der Art seiner Tätigkeit oder des Umfelds, in dem diese ausgeübt werde, nachteilige Konsequenzen zu tragen hätte.

Neutralitätspolitik muss konsequent verfolgt werden

Ferner müsse die Ungleichbehandlung geeignet, die ordnungsgemäße Anwendung dieser Neutralitätspolitik zu gewährleisten, was voraussetze, dass diese Politik konsequent und systematisch befolgt wird. Eine Politik der Neutralität im Unternehmen könne nur dann wirksam verfolgt werden, wenn überhaupt keine sichtbaren Bekundungen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen erlaubt sind, wenn die Arbeitnehmer mit Kunden oder untereinander in Kontakt  stehen, da das Tragen jedes noch so kleinen Zeichens die Eignung der Regel zur Erreichung des verfolgten Ziels beeinträchtigt.

Entscheidung nun bei deutschen Gerichten

Das abschließende Urteil im konkreten Fall der Kita-Mitarbeiterin und der Angestellten des Drogeriemarktes müssen nun die zuständigen deutschen Gerichte treffen. Der EuGH betonte am Donnerstag, dass diese durchaus Entscheidungsspielraum haben. Demnach könnten die nationalen Gerichte im Rahmen des Ausgleichs der in Rede stehenden Rechte und Interessen dem Kontext ihres jeweiligen Mitgliedstaats Rechnung tragen. Insbesondere sei dies der Fall, wenn es in Bezug auf den Schutz der Religionsfreiheit günstigere nationale Vorschriften gebe.

EuGH, Urteil vom 15.07.2021 - C-804/18

Redaktion beck-aktuell, 15. Juli 2021 (dpa).